Wer denkt Tapeten sind nur schön anzusehen, der irrt sich. Dank Kevlar, Karbon oder Glasfaser sind Tapeten auch für die Wissenschaft interessant. Die Materialien der Zukunft sind flacher, stärker und leichter, da ist es kein Wunder, dass Forscher auf die Tapete gekommen sind. Doch was können die Tapeten aus dem Labor? Können sie etwa Leben retten?
Quelle: Jessica Lea, DFID
Die „Erdbebentapete“ könnte tatsächlich Ihr Leben retten, behaupten die Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie. Sie entwickelten eine Tapete aus Glasfasergewebe, die die Wand stützt und sie vor dem frühzeitigen Einstürzen bewahrt. So haben die Bewohner mehr Zeit, um nach draußen zu fliehen. Denn bei einem Erdbeben kommen die meisten Menschen ums Leben, weil die Evakuierung auf Grund von Trümmern und eingestürzten Wänden unmöglich ist. Dies beschäftigte auch die Karlsruher Wissenschaftler. Seit den Neunzigerjahren experimentierten sie mit Glasfaserstreifen, die sie diagonal auf das Mauerwerk klebten, dadurch verschlimmerte sich jedoch das Splittern der Mauer nur noch. Eine vollflächig verklebte Glasfasertapete führte sie schließlich zum Erfolg.
Die Tapete besteht aus einem hauchdünnen Glasfaser- und Kunststoffgewebe, das die Schwingungen eines Erdbebens besonders gut ableitet, da die Fasern in vier Richtungen verlaufen und die Kräfte optimal verteilt werden. Die äußerst reißfeste Glasfaser sorgt dabei für die Stabilität und die Kunststofffasern aus Polypropylen für die nötige Elastizität bei einem Beben. Doch um diese High-Tech-Tapete an die Wand zu bringen reichte kein normaler Tapetenkleister aus. Deshalb entwickelten die Forscher gemeinsam mit Bayer MaterialScience einen speziellen, elastischen Klebstoff, der sich an Ritzen und Rillen im Mauerwerk anpasst, bei Erschütterung elastisch bleibt und die Tapete dauerhaft an der Wand hält.
Dank der motivierten Forscher findet man die „Erdbebentapete“, namens „Mapewrap EQ Net“ heute z.B. in italienischen Schulen und öffentlichen Gebäuden wieder. Die Tapete bietet gerade für Altbauten eine relativ kostengünstige und einfache Möglichkeit um sie nachträglich erdbebensicher zu machen. Mittlerweile kann sich die „Erdbebentapete“ auch in verschiedenen Designs sehen lassen.
Wenn eine Tapete vor Erdbeben schützen kann, kann sie auch einem Bombenangriff standhalten? Dies fragte sich wohl das amerikanische Militär, als es zusammen mit Berry Plastics eine bombensichere Tapete namens „X-Flex“ entwickelte. Sie besteht aus einem Kevlar-ähnlichem Gewebe, welches zwischen zwei Polymerschichten geklebt ist. Die Tapete hat den Vorteil, dass man sie in Krisengebieten schnell und einfach anbringen kann. Einen ganzen Raum kann man nun innerhalb von nur einer Stunde bombensicher tapezieren. Die Wandbekleidung fängt nicht nur die Druckwelle ab, sondern hält auch die Trümmer sowie die einstürzende Wand wie ein Fangnetz auf. Momentan ist „X-Flex“ nur für das Militär zu haben, doch eine Version für den Privatgebrauch ist angedacht, um auch den hauseigenen Schutzbunker tapezieren zu können.
Wer sich zudem auch noch abhörsicher einrichten will, sollte auf die neueste Materialerrungenschaft einer amerikanischen Firma aus Utah setzen. Ein flexibles, dünnes Gewebe aus nickelbeschichteter Karbonfaser, das elektromagnetische Strahlung abwehren kann. Das Gewebe ist gut als Tapete geeignet und verwandelt jeden Raum in einen Faradayschen Käfig. Der Faradaysche Käfig, nach dem britischen Wissenschaftler Michael Faraday benannt, ist eine elektromagnetische Abschirmung, die sowohl bei einem Blitzeinschlag schützt, als auch auch Cyberangriffe auf Computersysteme und zukünftige elektromagnetische Waffen abwehren kann.
Quelle: Clarence Risher
Doch die Idee der abhörsicheren Tapete ist nicht vollkommen neu, denn bereits seit 2004 sind abschirmende Tapeten auf dem Markt, die z.B. mit einer Paste aus Karbon beschichtet sind, aus Kupfergewebe bestehen oder mit Edelstahlfasern durchzogen sind. Die sogenannten EMV-Tapeten werden zunehmend in Banken oder Botschaften eingesetzt, aber auch in Krankenhäusern, um die empfindlichen Geräte vor Störungen abzuschirmen. Auch in Privatwohnungen findet man sie, um die Bewohner vor Elektrosmog zu schützen.
Die Tapeten der Zukunft können noch mehr als das: die Luft reinigen, giftige Gase absorbieren, das Interface für ihre Hausgeräte sein oder die Wohnzimmerwand in eine Kinoleinwand verwandeln. Geht das wirklich? Ja, dank so genannter OLEDs (organischer Leuchtdioden), eine Art dünne und flexible Leuchtfolie, ist die Tapete als Fernseher schon bald kein Science-Fiction mehr. Was wohl in zehn Jahren an Ihren Wänden hängt? Vielleicht eine heizende oder gar eine musikalische Tapete? Lassen Sie sich überraschen.