Kommen die Achtzigerjahre wieder? Jagt ein Revival dem nächsten hinterher? Wer die aktuelle Mode beobachtet, hat es längst bemerkt, nach dem von „Flower Power“ geprägten Sommer stehen die wilden Achtziger vor der Tür. Bei Missoni oder Balmain heißt es schulterfrei statt Schulterpolster, Pop-Art, geometrische Muster und Neonfarben bestimmen die Herbst- und Winterkollektionen 2015.
Nicht nur die Mode, auch die Architektur und das Design waren in den Achtzigerjahren jenseits des „Guten Geschmacks“. Wie schon in den Sechzigern stellte man auch in den Achtzigern das nüchterne, rein funktionalistische Design in Frage. Design sollte mehr versprechen als makellose Ästhetik, es sollte Spaß machen und sich nicht allzu ernst nehmen.
Vor allem die 1981 gegründete italienischen Designbewegungen „Memphis“ und „Studio Alchemia“ prägten das verrückte, bunte „Neue Design“ der Achtziger. Architektur, Innenarchitektur und Möbel waren bunt gemustert und erinnerten eher an Kunstwerke als an Gebrauchsgegenstände. Es wurde gewagt kombiniert, gestreifte und gepunktete Oberflächen trafen auf türkis, rosa, gelb, rote oder blaue Flächen. Der Raum als Gesamtkunstwerk!
Genau diese gewagten und auch gewöhnungsbedürftigen Muster erleben seit 2014 ihr Comeback. Das amerikanische Modelabel American Apparel setzt auf die Stoffentwürfe von Nathalie Du Pasquier, einem Gründungsmitglied der Gruppe „Memphis“ und auch Möbelhersteller, wie die dänische Firma HAY können ihre Begeisterung für die Muster der Achtziger nicht leugnen.
Doch hatte das medienwirksame und avantgardistische „Neue Design“ in den Achtzigerjahren auch Platz in den deutschen Wohnzimmern? Nicht unbedingt, denn die Mehrheit der Menschen richtete sich damals wie heute mit IKEA ein und tapezierte die Wände mit weißgestrichener Raufaser. Man hatte keine Lust mehr auf die aufsehenerregenden Muster und Tapeten der Siebziger. Der Trend im privaten Wohnbereich ging zur schlichten, reduzierten Einrichtung.
Nicht nur der Trend zur weißen Wand, sondern auch die Preissteigerungen auf Grund der Ölkrise und die schlechte Presse über die ökologischen Aspekte von PVC & Co. sorgten für den Tiefpunkt des Tapetenmarkts. Eine Herausforderung für die deutschen Tapetenhersteller! Sie reagierten daraufhin mit der Einführung des Gütesiegels RAL für ökologische Unbedenklichkeit und setzten ab 1987 auf eine kreative Werbkampagne mit dem Slogan „Kleb Dir eine.“
Der Leitsatz provokant, die Motive exzentrisch und mit ironischen Statements versehen. Die Anzeigen warben mit Charakteren, wie dem Superheld in Strumpfhosen oder dem Schimpansen im Anzug. Frei nach dem Motto: „Für jeden Charakter die passende Tapete!“ Dies gilt auch für den Hausmeister, der eine rosafarbene, mit Gras und Blumen gemusterte Tapete an den Wänden kleben hat. Der Hausmeister, der privat gerne mal in sein Superheldenkostüm schlüpft und den Leser fragt „...Dürfen die Leute in ihrer Wohnung tapezieren, was sie wollen, oder müssen sie die Tapete bei mir zur Genehmigung vorlegen?“ Eine Zensur bei Tapeten gab es zum Glück auch in den Achtzigern nicht, denn „Die Muster-Vielfalt der deutschen Tapete unterliegt keinerlei Zensurvorschrift. Die Tapetenfreiheit gilt auch in Mietwohnungen.“ Keine Angst vorm Hausmeister, Tapetenfreiheit sei Dank!
Wer allerdings Angst vor dem Zahnarzt hat, sollte unbedingt zu einem Zahnarzt mit blauer Tapete im Behandlungszimmer gehen, denn: „Bei der wöchentlichen Ziehung der Weisheitszähne (2 aus 32) spüre ich jedesmal deutlich die beruhigende Wirkung der neuen Tapete auf die Patienten.“ und „Neben Tapeten mit beruhigender Wirkung hält der Fachhandel auch solche bereit, die anregen, aufregen, unterhalten, ermuntern und beglücken.“ Ein Tapetenwechsel weckt Emotion und beglückt! Wer möchte das nicht?
Auch der Schimpanse ist über seine bunt getupfte Tapete erfreut und sagt: „Seitdem die meinen Käfig tapeziert haben, entwickle ich ein völlig neues Zivilisationsgefühl.“ Offensichtlich hat ihn der Tapetenwechsel zum Mensch werden lassen, denn „Seit jeher ist die deutsche Tapete verpflichtet, durch Vielfalt und Schönheit ihrer Entwürfe den Menschen kulturell zu erheben und ihm seine einmalige Stellung im Universum vor Augen zu führen.“ Tapeten machen Menschen? Probieren Sie es doch einfach aus, es herrscht schließlich Tapetenfreiheit!