Wer sich an die Sechziger erinnern kann, hat sie nicht erlebt! Die „wilden Sechziger“, das Jahrzehnt der freien Liebe, der Friedensbewegung und der LSD-Erfahrungen ist auch der Beginn des Massenkonsums, des Raumfahrtzeitalters und der Pop Art. Die Fünfzigerjahre waren nur der Vorspann für die Massenkultur und Massenproduktion der Sechziger. Design für die Massen sollte schnell und billig sein. Viele Künstler, Designer und Architekten kritisierten dies und setzten sich auch mit gesellschaftlichen Themen wie Krieg, Umwelt, Rassismus und Gleichstellung auseinander. Sie entwarfen visionäre Wohnideen und alternative Designkonzepte. Design sollte von nun an vor allem Spaß machen und ein emotional-sinnliches Erlebnis bieten. Die funktionale „Gute Form“ hatte ausgedient, das Design der Sechziger war fröhlich, bunt, gemustert und kühn geformt.
Knallige Farben und die Vielfalt an Formen schafften es, auch die letzten Erinnerungen an die Nachkriegsjahre aus den Köpfen und Wohnzimmern zu vertreiben. Wer mit alten Konventionen Schluss machen wollte, warf nun die alten Tapeten raus. „dieses jahr: neu tapezieren“ hieß es in bunt gemusterten Buchstaben in der Tapetenwerbung von 1963. „...Wer die eigenen vier Wände tapezieren lässt, gewinnt viel mehr als nur eine verjüngte Wohnung. Mit neuen Tapeten zieht neues Leben ein! Neue Tapeten in freundlichen Farben und phantasievollen Mustern vermitteln Schwung und gute Laune...“ Und so saß man Anfang der Sechziger mit Schwung und guter Laune im orange, braun oder grün gemusterten Wohnzimmer.
Wer gegen Mitte der Sechzigerjahre noch immer mit alten Tapeten wohnte, der sollte dies nun ändern, denn: „Manche Leute meinen, sie haben wirklich keinen Grund, an ihrer schönen Wohnung etwas zu verbessern. Für die hätten wir einen.“ versprach die Tapetenwerbung aus dem Jahr 1967. „Unser Grund ist in diesem Fall eine aparte, funkelnagelneue Tapete. Und wenn Sie mit dieser Tapete nichts anfangen können: Dann hätten wir noch eine ganze Menge anderer Gründe. In vielen, vielen Farben. Vielen, vielen Mustern...“ Sollte man nun das Blumenmuster an der Wand gegen Pop Art, Streifen oder surreale Grafiken tauschen? Warum eigentlich nicht?
Der Auswahl an Tapetenmustern und Farben waren in den Sechzigern tatsächlich fast keine Grenzen gesetzt. Die Tapeten- und Textildesigner ließen sich seit Langem wieder von vergangenen Kunstrichtungen, wie zum Beispiel dem Barock oder dem Jugendstil inspirieren und interpretierten die verschnörkelten Ornamente mit satten Farben und eigenem Stil. Zugleich hatten in den Sechzigerjahren Kunstrichtungen wie Pop Art und Op Art starken Einfluss auf Mode und Tapeten. Das Ergebnis: Ein wilder Stilmix. Neben floralen und barocken Mustern, waren zeitgleich auch comicartige, knallbunte, schwarz-weiß-gestreifte und surrealistisch-gemusterte Tapeten angesagt.
Gegen Ende der Sechziger ließ man sich vor allem von der Op Art und dem Beginn des Raumfahrtzeitalters inspirieren. Architekten, wie Verner Panton setzten visionäre und futuristische Innenräume um. Räume, deren Böden, Wände, Decken und Möbel im gleichen Farbton gestaltet waren, sodass oben und unten miteinander zu verschmelzen schienen. Pantons komplett grüne, rote und orangefarbene Raumgestaltungen für das Spiegelverlagshaus in Hamburg standen 1969 für Innovation und Modernität.
Der moderne und spacige Look schien auch die Tapetenwerbung zu beeinflussen. „Tapeten* jung-lebendig-aktuell“ warb man 1969 in einer Anzeige. Auf einem rosa Sofa, vor einer rosa-orangen Tapete, liegt eine junge Frau und liefert uns mindestens 7 Gründe für Tapeten: Tapeten sind lichtbeständig, wischfest, wasserfest, kleingemustert, dekorativ, beliebt, leicht zu verarbeiten, ansatzfrei, wirkungsvoll, vielseitig und preiswert. Wenn das keine guten Gründe für eine neue Tapete im Sixties-Look sind? Heute, über fünfzig Jahre später, sind die verrückten Designs der Sechzigerjahre wieder beliebt und begehrt. Nicht nur durch das Revival der Op Art Muster in der Mode, auch durch US-amerikanische Fernsehserien, wie „Mad Man“ oder „2 Broke Girls“ bekommt man wieder Lust auf den fröhlichen Sixties-Look. Probieren Sie es einfach aus und bringen Sie „gute Laune“ in die eigenen vier Wände.