Tapetenwerbung der Siebziger: Zeitreise durch die Designgeschichte

Tapetenwerbung der Siebziger: Zeitreise durch die Designgeschichte

Das Design der Siebziger galt lange Zeit als geschmacklos. Flokati, Lavalampe, Schlaghose und Co. waren verpönt und verachtet. Doch das ist längst passé – denn seit über zwanzig Jahren feiern die Siebzigerjahre ein fast durchgehendes Comeback in Mode, Musik und Design. Kein Jahrzehnt hatte bisher mehr Einfluss auf die nachfolgenden Stile. Der BBC betitelte 2009 die Siebzigerjahre sogar als das „modischste Jahrzehnt“ zwischen 1940 und 1990.

Ein Jahrzehnt in dem Architektur, Design und Mode origineller, vielseitiger und individueller denn je waren. In den Siebzigern wurde fortgeführt, was in den Sechzigern als Gegenbewegung zur nüchternen, kargen „Guten Form“ begann. Jeder kreierte seinen eigenen persönlichen Stil, ob Hippie, Ethno, Glam, Punk oder Pop, alle Stilrichtungen existierten nebeneinander. Hauptsache nicht langweilig!

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Design-70s

Die neue Lust auf Farbe und Muster stellte auch für die Tapetenindustrie eine Blütezeit dar. Die Vielfalt war groß an opulenten und bunten Tapeten, mit grafischen, psychedelischen oder floralen Mustern; meist in Orange, Gelb, Lila, Braun oder Hellgrün. Doch nicht jedermann konnte diese Farbigkeit an den Wänden genießen. Vor allem in öffentlichen Gebäuden und Institutionen verzichteten Architekten auf Tapeten und setzten auf „kahle Wände“. Ein puristisches Kontrastprogramm zum Orange-Braunen-Musterwahnsinn.

Auch in den deutschen Haushalten entdeckte man die weiß gestrichene Rauhfaser oder die holzvertäfelte Wand für sich. Bis Ende der Sechziger stieg somit auch der Umsatz der Rauhfaser-Ware kontinuierlich an. Dies war eindeutig eine Herausforderung für die deutschen Tapetenfabrikanten. So versuchte man dem Trend zur weißen Wand mit modischen und kräftigen Pop-Art-Tapeten entgegenzutreten. Die Deutsche-Tapeten-Gemeinschaft warb deshalb ab 1970 in Zeitschriften wie dem „stern“ oder „Schöner wohnen“ mit überraschenden, komischen und farbigen Anzeigen.

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Papeles-pintados-vintage

Vom Häftling vor der Blumentapete bis hin zum Affen vor der Bananentapete im Pop-Art-Stil „Jeder hat das Recht auf seine Tapete“ hieß es und „Vertreibt die rohen Wände mit einer bunten Tapete!“ Man wollte die „kahlen Wände“ ins Bewusstsein rücken und Tapeten dort zeigen, wo sie sonst nicht unbedingt zu finden waren. So nahmen auch Tapetenmuffel war, dass es für jeden Charakter und jeden Raum die richtige, ganz persönliche Tapete gab. Eine neue Tapete möbelt nicht nur den Affenstall auf, sondern kann auch eine alte Liebe auffrischen.

„Neue Tapeten machen Frühling.“ las man 1970 unter dem Bild eines ergrauten Paares, dass turtelnd auf einem biederen Sofa sitzt. Im Hintergrund eine Pop-Art-Tapete auf der Amor und seine Helfer die Pfeile zücken, um den beiden neues Liebesglück zu bescheren. Und wer möchte nicht mal wieder von Amors Pfeil getroffen werden? Noch nie haben Tapeten so sehr die Beziehung aufgefrischt und „Noch nie gab es schönere Wohnzimmer-, Badezimmer-, Schlafzimmer-, Arbeitszimmer- und Kinderzimmer-Tapeten als heute...“ versprach die Deutsche-Tapeten-Gemeinschaft.

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Tapeten-Werbung-70er

Ob Affe, Rentner oder Hippie, es schien für jeden die passende Wandbespannung zu geben. „Neue Tapeten machen Leute.“ stand 1970 unter dem Bild eines nackten Mannes mit Schnurrbart und Feigenblatt, der vor einer grünen Blättertapete posiert. Auch für den naturverbundenen und sexuell befreiten Menschen gibt es die passende Tapete. Komplett in Grün wird das Wohnzimmer zur Baumkrone und das neue Leben abseits des Establishments kann beginnen.

Und wer 1977 noch zu den Tapetenverweigerern zählte, den wollte man mit Argumenten überzeugen, denn eines war klar „Tapetenwechsel braucht der Mensch“. Die Liste der Pro-Argumente ist lang, denn neue Tapeten verändern das Zuhause komplett, wirken wie eine Verjüngungskur, entsprechen dem persönlichen Geschmack, sind in tausenden Farben und Mustern erhältlich, kosten weniger als ein Wohnungswechsel oder neue Möbel. Zudem hieß es, dass die neuen Tapeten licht- und farbecht, zu 100% waschbar und einfacher zu verarbeiten denn je seien und tapezieren ist jetzt auch für jeden der Lust hat, eine einfache Sache geworden. Auf der Contra-Seite behauptete man „Der Spaß kostet Geld, bringt viel Auswahlqual und macht Arbeit.“ Doch das ist wirklich kein Argument gegen die unerschöpflichen Vorteile die ein Tapetenwechsel mit sich bringt. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Verjüngungskur? Lassen Sie sich doch einfach von den wilden Siebzigern inspirieren.

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